Das Bundesverfassungsgericht hat höchstrichterlich festgestellt, dass ein wesentlich ambitionierterer Klimaschutz notwendig ist. Wichtig ist dabei auch die Feststellung des Gerichts, dass durch die Verschiebung von Lösungen in die Zukunft gerade künftige Generationen in ihren Grundrechten übermäßig belastet werden können.
- Die nächsten Jahre sind entscheidend dafür, ob es uns überhaupt noch gelingen kann, auf den 1,5 Grad Klimaschutz Pfad zu kommen und eine weitere gefährliche Erhitzung des Planeten abzuwenden. Aktuell ist sogar der 2 Grad Pfad fraglich.
- Als Basis brauchen wir ein Klimaschutzgesetz, das Klimaziele in definierten Schritten verbindlich vorgibt und sich an dem verbleibenden Budget orientiert, das wir für den 1,5 Grad Pfad gerade noch emittieren dürfen.
- Ziele allein bringen aber noch keinen Klimaschutz. Es braucht vor allem wirksame Maßnahmen wie einen schnelleren Kohleausstieg, die massive Anhebung des Ausbaupfads für die erneuerbaren Energien und einen CO2-Preis, der ökologisch lenkt und sozial ausgleicht, etwa in Form eines Energiegeldes.
Die nächsten Jahre entscheiden
Die nächsten Jahre sind entscheidend dafür, ob wir uns die Chance erhalten, die Pariser Klimaziele einzuhalten und auf den 1,5 Grad Pfad zu kommen. Auch der Weltklimarat (IPCC) stellt in seinem Bericht klar, dass wir schnell und entschieden handeln müssen, um eine globale Klimakatastrophe noch abzuwenden. Ein aktuell durchgesickerter Entwurf eines weiteren, für den März 2022 Jahres angekündigten IPCC Berichtes, macht die Notwendigkeit zum schnellen Handeln konkret - schaffen wir es nicht, dass spätestens ab 2025 die globalen Treibhausemissionen sinken, ist selbst das Einhalten des 2 Grad Limits in Gefahr.
Für Deutschland heißt das ganz konkret, dass ein Kohleausstieg 2038 damit deutlich zu spät kommt. Wir müssen deutlich eher raus aus der Kohle und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellen.
Dafür wollen wir ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen, das in allen Sektoren sofort wirksame Maßnahmen umsetzt. Wir wollen das ungenügende Klimaschutzgesetz und den Klimaschutzplan überarbeiten und – im Einklang mit dem höheren neuen europäischen Klimaziel – das deutsche Klimaziel 2030 auf -70 Prozent anheben.
Es muss viel mehr passieren
In diesem Jahr haben uns in Deutschland entsetzliche Sturzfluten und Hochwasser getroffen, während in vielen Teilen Europas und der Welt verheerende Waldbrände wüten. 2020 erlebte Deutschland den dritten Sommer in Folge mit Hitze und extremer Trockenheit, mit Ernteausfällen und Waldsterben. All dies zeigt uns, dass die Klimakrise nicht Halt macht. Wir können es noch schaffen, das Schlimmste abzuwenden, doch dafür muss deutlich mehr passieren als bisher.
Vor allen Dingen muss die Energiewende endlich wieder flott gemacht und ein ambitioniertes Klimapaket insbesondere in den Bereichen Verkehr und Gebäude auf den Weg gebracht werden. Wir wollen nachhaltige Technologien fördern und Anreize für zukunftsfähige Investitionen zu schaffen.
Es braucht eine wirksame CO2-Bepreisung, die eine echte Lenkungswirkung erzielt und durch Rückerstattung in Form eines Energiegeldes für sozialen Ausgleich sorgt. Auch brauchen wir endlich den Einstieg in die Verkehrswende und ein umfassendes Wärmekonzept, denn der Gebäudesektor macht einen großen Teil unserer Emissionen aus.
Mit einem wirksamen Programm können wir zeigen, dass eine positive wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz zusammen gehen. Das ist vor allem für den internationalen Klimaschutz und die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens eine wichtige Botschaft, die von Deutschland als einem der wichtigsten Industrieländer der Welt ausgehen muss.
Keine Zeit mehr für Ausreden
Auch wenn das Klimaziel vor allem Corona-bedingt für 2020 auf den letzten Metern doch noch erreicht wurde, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es beim Klimaschutz nach wie vor erhebliche Defizite gibt. Berechnungen von Agora Energiewende zeigen, dass die Emissionen schon im kommenden Jahr wieder um 47 Millionen Tonnen CO₂ deutlich ansteigen werden und das 2020er Klimaziel wieder klar verfehlt wird. Insbesondere in Richtung 2030 und der Erreichung der Treibhausgasneutralität deutlich vor 2050 werden sich diese Defizite fatal auswirken, sofern jetzt nicht entschieden gegengesteuert wird.
"Sie sind vier Jahre in einer Mischung aus Zaghaftigkeit und Überforderung weit hinter den Möglichkeiten dieses Landes zurückgeblieben."
Anton Hofreiter an die Bundesregierung, 24.6.2021
Denn obwohl der gesellschaftliche Rückhalt für wirksamen Klimaschutz niemals größer war, hat die Bundesregierung nichts gewagt. Sie hat stattdessen weiterhin ihre Lobbyisten bedient, einseitig Verbraucherinnen und Verbraucher belastet und ist die notwendigen strukturellen Schritte nicht angegangen.
Auch das hastig novellierte Klimaschutzgesetz wird seinem Namen nicht gerecht. Zwar werden die Klimaziele für 2030 angehoben, jährlich auf die Sektoren heruntergebrochen und gesetzlich festgeschrieben. Doch der Mechanismus zur Nachbesserung bei einer sich abzeichnenden Zielverfehlung ist unverbindlich, Sanktionen bei Nicht-Einhaltung gibt es nicht. Und die Ziele bis zur Treibhausgasneutralität, die in 2045 erreicht werden soll, orientieren sich nicht am verbleibenden Restbudget der noch möglichen Treibhausgasemissionen, um auf dem 1,5 Grad Pfad des Pariser Klimaabkommens zu kommen.
Vor allem: Ziele ersetzen keine Maßnahmen!
Energiewende abgewürgt, Kohleausstieg zu spät
Das Herzstück des Klimaschutzes, die Energiewende, wird weiter abgewürgt. Die Bundesregierung legt es darauf an, 2030 in Deutschland sogar weniger Windenergie als heute zu haben. So ist weder Planungs- und Investitionssicherheit für eine Industrie auf dem Weg zur Dekarbonisierung gegeben, noch können Herausforderungen der Sektorenkopplung bewältigt werden.
Es besteht akuter Handlungsbedarf: 2019 gingen so wenig neue Windkraftanlagen in Betrieb genommen wie seit 20 Jahren nicht mehr, allein seit 2017 gingen 36.000 Jobs in der Windbranche verloren. Nicht nur die Windenergie, sondern die Zukunftsbranche der Erneuerbaren ist insgesamt bedroht. Der Ausbaupfad im Erneuerbare-Energien-Gesetz muss massiv angehoben werden, auf jährlich mindestens 5.000 Megawatt Windenergie an Land netto, und die aktuellen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie müssen beseitigt werden
Auch beim Kohleausstieg hat die Bundesregierung nicht das geliefert, was nötig gewesen wäre. Das Kohleausstiegsgesetz ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung der Empfehlungen der Kohlekommission und nicht vereinbar mit den Verpflichtungen des Pariser Klimavertrags. Vor allem die klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke müssen früher und kontinuierlich stillgelegt werden.
Endlich Einsparungen bei Verkehr und Gebäuden
Im Verkehrssektor ist die Bilanz ebenfalls düster. Umweltschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg tastet die Koalition nicht an. Der Straßenausbau geht ungebremst weiter. Dagegen kommen ein bisschen Förderung ÖPNV und die Mehrwertsteuersenkung für die Bahn nicht an. Der Verbrennungsmotor steht weiter unter Bestandsschutz. So richtig der verstärkte Ausbau der Ladeinfrastruktur ist: ohne Quoten und Ordnungsrahmen wird der Durchbruch zur emissionsfreien Mobilität nicht kommen.
In der Agrarpolitik verzichtet die Koalition gänzlich auf wirksame Maßnahmen. In die industrielle Tierhaltung wird weiter Geld gepumpt, jegliche Vorgaben fehlen. Die viel zu hohen Tierzahlen bleiben unangetastet, der Ökolandbau wird nicht stärker gefördert. Bei der Lebensmittelverschwendung ist die Regierung zufrieden mit den bisherigen Maßnahmen. Der sterbende Wald wird einfach wieder so aufgeforstet wie vorher.
Im Gebäudebereich verlässt sich die Bundesregierung voll und ganz auf Fördermaßnahmen ohne verbindlichen gesetzlichen Rahmen. Verbesserte Energiestandards werden erst ab 2023 eingeführt und dann noch an das Wirtschaftlichkeitsgebot geknüpft. So ist die notwendige Vervierfachung der Gebäudesanierung nicht zu erreichen. Das Austauschprogramm für Öl-Heizungen ist ein richtiger Schritt. Dass aber neue Öl-Heizungen erst ab 2026 und dann nicht mal vollständig verboten werden, verlängert die Klimaverschmutzung um weitere Jahrzehnte. Völlig vernachlässigt wird auch hier die soziale Seite: Die Bundesregierung macht Klimaschutz für Mieter teuer und verpasst die Chance für eine faire Kostenverteilung. Damit lassen sich die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele für den Gebäudebereich nicht erreichen, das hat sogar der Expert*innenrat für Klimafragen der Bundesregierung in seinem Prüfbericht zu Sofortprogramm 2020 für den Gebäudesektor festgestellt und weitere Maßnahmen angemahnt.
Die geplanten zusätzlichen Investitionen bewegen sich auf sehr enttäuschendem Niveau. Substantiell geschieht nicht viel Neues oder Überraschendes. Manche längst beschlossene Maßnahme wird zum Teil erneut verkauft, in Teilen ein wenig aufgestockt, bzw. neu gebündelt. Aufbruch sieht anders aus. Doch Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Die schwarze Null steht weiterhin als Dogma wie ein Elefant im Raum.
Warnung vor dem Klima-Notfall
Mehr als 11.000 Wissenschaftler*nnen aus 153 Ländern, darunter fast 900 aus Deutschland, haben in einer gemeinsamen Erklärung vor einem weltweiten "Klima-Notfall" gewarnt. Die WissenschaftlerInnen fordern eine grundlegende und anhaltende Veränderung des menschlichen Verhaltens, um die Treibhausgasemissionen zu senken.
Ansonsten, so warnen die Wissenschaftler*innen, sei "unsägliches menschliches Leid" nicht mehr zu verhindern.
Naturkatastrophen nehmen weltweit zu
Ein UN-Report bestätigt, dass Naturkatastrophen in den letzten Jahrzenten stark zugenommen haben, Hauptursache dafür ist die Klimakrise. So hat sich zwischen 2000 und 2019 die Zahl der Naturkatastrophen gegenüber den vorherigen 20 Jahren beinahe verdoppelt. In diesem Zeitraum wurden weltweit insgesamt 7348 Katastrophen größeren Ausmaßes verzeichnet, davon allein 6.681 klimabedingte Katastrophen.
Insgesamt waren von allen Katastrophen 4,21 Milliarden Menschen betroffen, 1,23 Millionen verloren sogar ihr Leben. Dabei waren allein Wetterextreme für 77 Prozent der ökonomischen Folgen in Höhe von 2.245 Milliarden Dollar verantwortlich. Am schwersten betroffen waren Asien, der amerikanischen und der afrikanische Kontinent. Auch die verheerenden Hochwasser dieses Sommers sind sehr großer Wahrscheinlichkeit Auswirkungen der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise. Das zeigt eine Studie der World Weather Attribution in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD).
Wir sprechen mit Lisa Badum über Klimaschutz und CO2-Preis. In unserer Podcast-Reihe "Uns geht's ums Ganze" stellen wir die parlamentarische Arbeit der grünen Bundestagsfraktion und unsere Abgeordneten persönlich vor.
Direktlink: https://gruene-bundestag.podigee.io/16-klimaschutz