Allgemeines und Einordnung
Die Situation bei der S‑Bahn Stuttgart spitzt sich zunehmend zu. Zu immer wieder neuen Infrastrukturproblemen treten starke Verfügbarkeitseinschränkungen bei den Fahrzeugen hinzu. Im Ergebnis weist die S‑Bahn Stuttgart im Pünktlichkeits-Ranking mit den acht anderen deutschen S‑Bahn-Netzen nur einen schlechten mittleren Platz auf. Dabei ist das Angebot aus verschiedenen Gründen (fehlendes Personal, Mangel an verfügbaren Fahrzeugen und baustellenbedingte Sperrungen) seit längerer Zeit ausgedünnt. Wenn wieder alle Züge fahren und das Fahrgastaufkommen steigt, ist mit einer nochmaligen Verschlechterung der Pünktlichkeitswerte zu rechnen. Dies macht umfassende Maßnahmen zur Stabilisierung des Betriebs erforderlich, die die Bereiche Infrastruktur, Fahrzeuge und Organisation umfassen. Keineswegs reicht es aus, alleine auf ETCS zu setzen, wie leider immer wieder suggeriert wird. Es braucht weitere Maßnahmen für pünktlichere Züge. 17 Maßnahmen, die nicht alle neu sind, werden im Folgenden ausgeführt.
Pünktlichkeit und Betriebsqualität
Sämtliche der im Folgenenden aufgelisteten Ursachen schlagen sich massiv in der unzureichenden Pünktlichkeit der Stuttgarter S‑Bahn nieder. Diese lag im ersten Quartal 2022 noch bei 96,9%, im gleichen Zeitraum in 2023 nur noch bei 90,5%. Dabei werden kleinere Verspätungen, die schon Anschlussverluste zur Folge haben können, gar nicht berücksichtigt. Hier mehr Infos: https://www.matthias-gastel.de/s‑bahn-stuttgarter-unpuenktlicher-als-unpuenktlich/
Pünktlichkeit nach Fahrgastbetroffenheit
Für die Ermittlung der Pünktlichkeit wird die Anzahl der Züge gezählt, die um mehr als 5:59 Minuten verspätet sind und in Relation zur Gesamtzahl aller Fahrten gestellt. Unberücksichtigt bleibt, wie viele Fahrgäste betroffen sind. Dies sollte jedoch der Maßstab sein. Bei der fahrgastbezogenen Pünktlichkeit wird ermittelt, wie viele Reisende pünktlich und wie viele (unter Beachtung einer gewissen Toleranz) verspätet unterwegs sind. Diese Methodik ist aussagekräftiger als das Zählen von oftmals sehr unterschiedlich ausgelasteten Zügen. Ziel muss sein, die Betroffenheit der Fahrgäste von Verspätungen und vor allem dem Verlust von Anschlüssen erheblich zu reduzieren. Die fahrgastbezogene Pünktlichkeit sollte Maßstab für Vereinbarungen zur Pönalisierung, also der Sanktionen für zu geringe Zuverlässigkeit, werden.
Fahrzeugbezogene Herausforderungen
Verschiedenste technische Mängel und Schäden an den Fahrzeugen führten im Jahr 2023 immer wieder zu eingeschränkter Fahrzeugverfügbarkeit bei der Stuttgarter S‑Bahn. Hierbei machte insbesondere die sich seit 2013 im Stuttgarter S‑Bahn-Netz im Einsatz befindliche Baureihe 430.0 sowie die jüngst gelieferte nachbestellte Bauserie 430.2 von sich reden, die in der ersten Jahreshälfte 2023 immer wieder für Einschränkungen im S‑Bahn-Betrieb sorgte.
Auswirkungen:
Die fahrzeugseitigen Probleme sorgten im Laufe des Jahres 2023 für verschiedenste eingeschränkte Betriebszustände. Zeitweise waren im Winter und Frühjahr bis zu 25 Prozent des gesamten Fahrzeugbestandes nicht einsatzbereit.
Ausgehend vom Februar 2023 bis zum 01. Mai sorgte der Mangel an einsatzbereiten Triebwagen der Baureihe 430 für einen kompletten Ausfall der Linie S62 sowie für einen Entfall der Zwischentakte auf der S3. Auch im Frühsommer 2023 setzte sich der Fahrzeugmangel weiter fort, was sich unter anderem in zahlreichen 423-Einsätzen auf der planmäßig nur mit 430 betriebenen S1 zeigte. Während der langen Bauzeiträume aufgrund der DKS-Sperrung zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt sowie der Stammstreckensperrung bestand ein deutlich geringerer Fahrzeugbedarf, sodass die verbliebenen planmäßig mit der Baureihe 430 gefahrenen Linien weitestgehend zuverlässig gefahren werden konnten. Ob sich die Fahrzeugverfügbarkeit nachhaltig entspannt hat, wird sich mit dem Ende des Baustellenfahrplans Mitte September 2023 zeigen.
Zum aktuellen Schadbestand bei den S‑Bahn-Fahrzeugen habe ich eine Anfrage eingereicht, die zum aktuellen Zeitpunkt noch unbeantwortet ist.
Verschiedene Problematiken an den Triebwagen der Baureihe 430 sind ursächlich für die mangelnde Verfügbarkeit und mangelnde flexible Einsetzbarkeit im Betrieb:
Noch nicht reparierte Züge mit abgefahrenen Radsätzen:
Während der Stammstreckensperrung 2022 wurden anfänglich S‑Bahn-Linien über die sogenannte Panoramabahn zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und der Panoramabahn an der gesperrten Stammstrecke vorbei umgeleitet. Dadurch trat jedoch ein hoher und letztendlich sicherheitsrelevanter Verschleiß an den sogenannten Radsätzen, also den Rädern der Fahrzeuge, auf, der auch zur Außerinbetriebnahme von betroffenen Fahrzeugen führte. Im Frühjahr 2023 waren einige der davon betroffenen Fahrzeuge noch immer nicht wieder einsatzbereit.
Ob nach wie vor oder wieder Fahrzeuge aufgrund von Radsatzverschleiß nicht einsatzbereit sind, versuche ich ebenfalls in einer (momentan noch unbeantworteten) Anfrage zu klären.
Lösungsvorschlag:
Die Bemühungen, alles daran zu setzen, alle betroffenen Fahrzeuge schnellstmöglich wieder in Betrieb zu nehmen, sind weiter fortzusetzen und die Versorgung mit Radsätzen auf eine sichere Basis zu stellen.
ETCS-Umrüstung
Aufgrund der notwendigen Ausrüstung der Stuttgarter S‑Bahnen mit ETCS stehen jeweils ca. 12 Fahrzeuge nicht im Betrieb zur Verfügung. Dies lässt sich nicht vermeiden, da die Fahrzeuge im Zuge von S21 und dem damit verbundenen Digitalen Knoten Stuttgart zwangsläufig die Ausstattung mit ETCS benötigen. Da die mittlerweile gelieferten neuen 430.2 (s.u.) noch nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen, machen sich die durch die ETCS-Umrüstung fehlenden Fahrzeuge zusätzlich bemerkbar.
Verfügbarkeit der Baureihe 430
Verschiedenste weitere technische Störungen sorgen für eine eingeschränkte Verfügbarkeit der Baureihe 430.
Zu den technischen Problemen an der Baureihe 430 habe ich gerade eine Anfrage eingereicht (noch unbeantwortet).
Lösungsvorschlag:
Bahn und Fahrzeughersteller müssen die Bemühungen fortsetzen, die Probleme schnellstmöglich in den Griff zu bekommen.
Neue und alte Generation der Baureihe 430 dürfen noch nicht miteinander gekuppelt werden
Der Rechtsrahmen hat sich zwischen den Zulassungsverfahren der beiden Fahrzeuggenerationen gleichen Bautyps geändert. Es bedarf Software-Anpassungen an den „alten“ 430. Diese notwendigen Anpassungen wurden vorgenommen und getestet, die Zulassung stand nach meinen Informationen im Sommer 2023 aber offenbar noch aus. Die alten und neuen 430 fuhren im Winter unter größerer Störanfälligkeit allerdings auch bereits im Planbetrieb miteinander gekuppelt.
Lösungsvorschlag:
Der Fahrzeughersteller und die S‑Bahn müssen die Bemühungen fortsetzen, die Probleme schnellstmöglich in den Griff bekommen, damit die 430 wieder flexibel eingesetzt werden können und alle Fahrzeuge wieder zur Verfügung stehen.
Werkstattkapazitäten
Bestehen technische Probleme an den Fahrzeugen, müssen diese häufiger in die Werkstatt, was dort zu einem Mehraufwand führt. Mit diesen Werkstattaufenthalten einhergehende Probleme sollen im folgenden Abschnitt betrachtet werden:
Instandhaltung der S‑Bahn-Fahrzeuge
Hand in Hand mit der oftmals mangelnden Fahrzeugverfügbarkeit gehen auch Probleme hinsichtlich der Fahrzeugunterhaltung und Instandsetzung durch die Werkstatt.
Neben Personal- und Fachkräftemangel in der Plochinger Werkstatt haben auch die Ausweitung des Viertelstundentaktes sowie die fahrzeugseitigen Probleme dafür gesorgt, dass die Fahrzeuge häufiger in die Werkstatt müssen und entsprechend höhere Kapazitäten notwendig sind.
Hierzu habe ich gerade eine Anfrage eingereicht (noch unbeantwortet).
Lösungsvorschlag:
Neben einer Aufstockung des Personals ist auch vorbeugende Wartung und Instandsetzung ein wichtiges Mittel, ungeplante Werkstattaufenthalte zu verringern. Auch eine Ausweitung der Werkstattkapazitäten muss in Betracht gezogen werden, um dem gestiegenen Instandhaltungsbedarf Herr zu werden.
Personalprobleme
Aufgrund von Personalmangel und eines hohen Krankenstandes konnten besonders im Winter und Frühjahr nicht alle Schichten besetzt werden. Hierbei spielen neben dem branchenweiten Personalmangel und der üblichen Krankheitswelle im Winter auch die zusätzliche Belastung durch Corona-Erkrankungen eine Rolle.
Lösungsvorschlag:
Mehr Personal/Personaloffensive. Beispielsweise könnte im Verkehrsvertrag eine Personalquote festgelegt werden. Alternativ könnte auch durch den Aufgabenträger zusätzliches Personal explizit bestellt werden und müsste dann auch extra bezahlt werden – derartiges Personal könnte dann aber beispielsweise auch explizit als Reservepersonal (s.u.) eingesetzt werden.
Fahrplanstabilität, Haltezeiten und betriebliche Abläufe
Einige momentan im Betrieb auftretende Schwierigkeiten lassen sich direkt auf technische Eigenschaften und Spezifikationen der eingesetzten Fahrzeuge zurückführen. Auch hierbei ist vor allem die Baureihe 430 betroffen:
Türöffnungszeiten und Schiebetritte
Die Schiebetritte fahren erst aus, wenn die Züge eine Geschwindigkeit von unter einem Stundenkilometer erreicht haben. Danach wird der Türöffnungsmechanismus ausgelöst. Dies kostet bei jedem Halt wertvolle Sekunden und summiert sich im Streckenverlauf auf einige Minuten auf. Eine Studie der Grünen Fraktion in der Regionalversammlung des Verbandes der Region Stuttgart belegt die sich aufsummierende positive Wirkung durch eine Beschleunigung beim Öffnen der Türen.
Lösungsvorschlag:
Nach Europarecht gilt ein Zug bereits bei einer Geschwindigkeit von unter drei Stundenkilometer als „stehend“. Würde dies auf die Fahrzeuge der S‑Bahnen angewandt werden, könnten die Schiebetritte bereits früher ausfahren und die Türen früher öffnen. Hierbei gestaltet sich die Umsetzung bei den 430 allerdings schwierig, da unter anderem Sicherheitsbedenken bezüglich Ausfahren der Schiebetritte bestehen, wenn das Fahrzeug noch in Bewegung ist. Auch die 76 Zentimeter hohen Bahnsteige können hinsichtlich der auf 96 Zentimeter Bahnsteighöhe ausgelegten Schiebetritte problematisch werden. Spätestens bei neu zu beschaffenden Fahrtzeugen ist darauf zu achten, dass die Türöffnungen frühzeitiger eingeleitet werden können.
Fahrgastwechselzeiten
Mit Einführung von ETCS können die Züge in kürzeren Abständen fahren. Damit rücken die langen Fahrgastwechselzeiten als bestimmende Faktoren vor allem am Hauptbahnhof wieder stärker in den Fokus.
Durch die Fahrgastwechselzeit wird die Zeit, in der ein Zug in einer Station verweilt, wesentlich beeinflusst. Dauert der Fahrgastwechsel zu lange, kann ein folgender Zug noch nicht in die Station einfahren, weil der vorherige Zug durch den langen Fahrgastwechsel die Station noch blockiert.
Lösungsvorschlag:
Der Verband Region Stuttgart sollte zusammen mit der Deutschen Bahn verschiedene Möglichkeiten für die Verkürzung der Fahrgastwechselzeiten prüfen. In Frage kommen getrennte Ein- und Ausstiege, differenziertere akustische Signale an den Türen, Reduzierung der Anzahl von Sitzplätzen in den Eingangsbereichen zur Schaffung von mehr Platz beim Ein- und Ausstieg.
Es wird hier ebenfalls auf die Studie der Grünen Regionalfraktion verwiesen.
Beschleunigungsvermögen
Die neueren Fahrzeuge der Baureihe 430 weisen laut der Studie der Grünen Fraktion in der Regionalversammlung aufgrund ihres höheren Gewichtes ein geringeres Beschleunigungsvermögen als die vorhandenen ET 423 auf. In einem stark befahrenen S‑Bahn-Netz wie dem der S‑Bahn Stuttgart ist Spurtstärke allerdings ein wichtiges Instrument, um auch ehrgeizigere Fahrpläne fahren und Verspätungen aufholen zu können.
Lösungsvorschlag:
Bei der Neuanschaffung von Fahrzeugen ist darauf zu achten, dass die Beschleunigung wieder besser wird und ehrgeizige Fahrpläne fahrbar werden.
Kapazität und Resilienz verbessern
In der Sperrpause der S‑Bahn-Stammstrecke im Sommer 2024 sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die sich positiv auf die betriebliche Flexibilität und letztlich auch auf die Pünktlichkeit der Züge auswirken sollen. So soll die zulässige Streckengeschwindigkeit zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße erhöht werden. Zudem sind auf diesem Abschnitt zur flexibleren Gleisnutzung zusätzliche Überleitstellen (Weichen) vorgesehen. In Böblingen werden für eine flexiblere Betriebsführung zusätzliche Weichenverbindungen im Nordkopf des Bahnhofs vorgesehen. Diese Maßnahmen sind alle richtig.
Lösungsvorschlag:
Erforderlich ist, eine noch konsequentere Pünktlichkeitsstrategie zu verfolgen. Ein Beispiel: Auf dem über sieben Kilometer langen Abschnitt zwischen Rohr und Flughafen befindet sich keine Überleitstelle. Dies habe ich bereits vor einigen Monaten mit einem konkreten Vorschlag vorgebracht.
Siehe hierzu https://www.matthias-gastel.de/kleinmassnahmen-fuer-stabileren-s-bahn-betrieb-in-stuttgart/
Zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt ist u. a. wegen fehlender Überleitstellen kein Gleiswechselbetrieb möglich. Es braucht jedoch deutlich mehr betriebliche Flexibilität, die in diesem Abschnitt durch die Einführung von Gleiswechselbetrieb im Zuge des Digitalen Knoten Stuttgart kommt. Voraussichtlich in 2024 werden im Bereich der Stammstrecke zudem Geschwindigkeitserhöhungen umgesetzt sowie eine zusätzliche Überleitstelle eingebaut. Von diesen Maßnahmen ist ebenfalls eine Verbesserung der Betriebsqualität zu erhoffen.
Abhilfe im Zuge von ETCS und des Digitalen Knoten Stuttgart
Im Zuge der Einführung von ETCS können die Züge in kürzeren Abständen hintereinander fahren, was im Verspätungsfall zu weniger sich übertragenden Folgeverspätungen führt. Somit ist das Nachrücken in die Station, wenn der vorherige Zug diese verlassen hat, durch die kürzeren Abstände in einem kürzeren Zeitraum möglich.
Im Zuge des Digitalen Knotens Stuttgart erfolgt zudem die Einführung des Automatisierungsgrades GoA. Die S‑Bahn-Studie der Grünen-Fraktion in der Regionalversammlung verweist auf die Möglichkeit, mittels dieses Standards das Bremsen und das Beschleunigen zu präzisieren, wodurch der dafür erforderliche Zeitaufwand optimiert wird.
ETCS und GoA ermöglichen die Einsparung wertvoller Sekunden. Leider ist dies jedoch noch nicht ausreichend, sodass auch die Fahrgastwechselzeiten bei den bestehenden Fahrzeugen der BR 423 und 430 weiter optimiert werden müssen.
Der Bahnknoten Stuttgart wird digitalisiert (DKS). Auf den Streckenabschnitten, auf denen Güterverkehr unterwegs ist, ist jedoch eine Doppelausrüstung vorgesehen. Dies bedeutet, dass ortsfeste Signale verbleiben. Damit kann ETCS seine Vorteile, nämlich eine dichtere Taktfolge zu ermöglichen, nicht ausspielen.
Lösungsvorschlag:
Es ist daher alles in die Wege zu leiten, dass möglichst alle Fahrzeuge und Lokomotiven, die den Knoten Stuttgart befahren, vorrangig mit ETCS ausgestattet werden und „ETCS only“ gefahren werden kann.
Konsequenzen für zukünftige Fahrzeuganschaffungen
Bei den anstehenden zukünftigen Fahrzeugbeschaffungen muss Wert darauf gelegt werden, die oben genannten Probleme besser zu bewältigen. Insbesondere sollte Wert auf ein schnelles Öffnen der Türen, kurze Fahrtgastwechselzeiten und gute Beschleunigungsvermögen gelegt werden.
Auch sollten zum finalen Betriebsstart zukünftiger Fahrzeuge diese uneingeschränkt und ausreichend getestet zur Verfügung stehen, sodass nicht fehlende Teilzulassungen oder auftretende Kinderkrankheiten, die in einem Testbetrieb hätten behoben werden können, den Betrieb zum Erliegen bringen.
Lösungsansatz:
Ein weiterer Ansatz kann sein, dass die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge nicht mehr durch die Betreiberin (derzeit Deutsche Bahn) verantwortet wird, sondern durch den Hersteller. Dieser muss das Interesse daran haben, einen möglichst störungsfreien Betrieb zu ermöglichen, wenn er nach der Fahrzeugverfügbarkeit bezahlt wird
Betriebliche Probleme vor allem im Störungsfall
Hinsichtlich betrieblicher Probleme ist die S‑Bahn auch stark von DB Netz als Infrastrukturbetreiber abhängig. Dispositive Entscheidungen werden meist durch die Fahrdienstleiter oder in der Betriebszentrale getroffen. Auch für die Wartungsqualität von Weichen und Signalen oder den Zustand der Schienen ist DB Netz verantwortlich.
Disposition im Störungsfall
Stehen beispielsweise aufgrund von gesperrten Gleisen kurzfristig nur zwei von vier Gleisen zur Verfügung, zieht die S‑Bahn in der Disposition stets den Kürzeren und muss alle anderen Züge vorbei lassen, bevor dann die S‑Bahn auf die Strecke darf. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass in der Regel nach dem Grundsatz des Vorrangs des Fernverkehrs disponiert wird, sodass dieser nicht Verspätungen durch ganz Deutschland schleppt und andernorts weitere Folgeverspätungen auslöst.
Tritt eine derartige Sperrung im Umkreis des S‑Bahn-Tunnels in Stuttgart auf, entsteht Stau im gesamten S‑Bahn-Tunnel und dadurch letztendlich Chaos im ganzen Netz.
In einem anderen Fall war die Stammstrecke am 05.04. wegen eines Personenunfalls gesperrt. Hier wurden kaum S‑Bahnen über die eigentlich verfügbare Panoramabahn umgeleitet und das S‑Bahn-Netz war mehr oder weniger zweigeilt, trotzdem verkehrten die Bahnen auch auf den Außenästen des Netzes nicht zuverlässig.
Grundsätzlich ist es im Störungsfall, wie auch die im Februar mehrfach blockierten Ferngleise Richtung Zuffenhausen gezeigt haben, so, dass die S‑Bahn immer das Nachsehen hat und in der Rangfolge verschiedener Züge immer als letztes auf die Strecke darf.
Lösungsvorschlag:
-Umstellung der Disposition auf Gewichtung nach Reisendenpünktlichkeit
-Nutzung von IT zur Abwägung der Dispositionsentscheidung und zu einer Gesamtoptimierung der Reisendenpünktlichkeit statt vergleichsweiser „dummer“ Lenkung nach Zugkategorien
Da es sich bei der Reihenfolge der Züge um dispositive Maßnahmen handelt, könnte hier auch zu Gunsten der S‑Bahn gegengesteuert werden. So könnte der S‑Bahn in der Zugreihenfolge ein höherer Stellenwert eingeräumt werden und auch, wenn dies natürlich nicht im Sinne der dann zusätzlich betroffenen Fahrgäste ist, im Extremfall ein Teil des nicht in Stuttgart Hauptbahnhof endenden Regional- und Fernverkehrs über die Schusterbahn umgeleitet werden. Somit können zumindest gewisse Kapazitäten geschaffen werden, damit zumindest ein kleiner Teil der S‑Bahnen im Störungsfall verlässlicher „durchgeschleust“ werden kann, um das komplette Chaos im S‑Bahn-Netz zumindest etwas aufzuhalten.
Letztendlich handelt es sich hier allerding um eine Abwägungsfrage, ob nun der Fern- und Regionalverkehr wichtiger ist oder ob auch auf die S‑Bahn mehr Rücksicht genommen werden sollte. Unabhängig davon, wie die Entscheidung der Disponenten ausfällt, es wird immer durch die entstehenden Verspätungen betroffene Fahrgäste geben. Deshalb ist eine ggf. auch durch Simulationen gestützte Disposition mit dem Ziel einer möglichst hohen Gesamt- und Reisendenpünktlichkeit im ganzen bundesweiten Schienennetz, aber auch im Netz der S‑Bahn, erstrebenswert – hier könnte dann beispielsweise eine volle S‑Bahn vor einem leeren Fernzug bevorzugt werden.
Betriebsabwicklung im Störungsfall
Auswirkungen:
Tritt eine Störung auf der Stammstrecke auf, hat dies meist unmittelbare Auswirkungen auf das gesamte S‑Bahn-Netz. Auch umgekehrt können Störungen auf den Außenästen durch mitgeschleppte Verspätungen im Bereich der Stammstrecke letztendlich zu Verspätungen im gesamten Netz sorgen.
Momentan ist der S‑Bahn-Betrieb wenig robust gegenüber Störungen, da sich Verspätungen schnell aufbauen und sich bei einer Störung auf der Stammstrecke auf das gesamte Netz ausbreiten. Meist kann kaum auf die Störung reagiert oder diese umfahren werden. Zudem läuft der Betrieb oft auch weit nach Störungsende nicht zuverlässig, da Personal und Fahrzeuge nicht dort sind, wo sie gebraucht werden oder Dienstzeiten überschritten wurden.
Lösungsvorschlag:
Es sind Maßnahmen sinnvoll, die die Robustheit des Betriebs während einer Störung steigern und die Einschwingzeit nach der Störung verkürzen.
Verlässliche, vorgefertigte Störfallkonzepte für verschiedene häufig auftretende Szenarien, beispielsweise eine kurzfristig gesperrte Stammstrecke oder gesperrte Gleise im Zulauf auf den Hauptbahnhof, sollten sofort nach Störungsbeginn greifen können, um einen weiterhin verlässlichen Betrieb zu gewährleisten. Ein solches Konzept könnte beispielsweise vorsehen, wie Züge disponiert werden, damit die S‑Bahn hinter den anderen Zügen nicht komplett unter geht, welche Linien wo enden (müssen), oder welche Linien wie gefahren oder ggf. über die Panoramabahn umgeleitet werden. In Kombination mit einer unmittelbaren und verlässlichen sowie für alle betroffenen Fahrgäste verständlichen Kommunikation des angewendeten Störfallkonzeptes kann so ein geordnetes Weiterlaufen des Betriebs im Störungsfall gewährleistet werden.
Ein solches Störfallkonzept mit Umleitungen über die Panoramabahn und Wenden im Hauptbahnhof oben gab es an sich bereits in den letzten Jahren, was dann jeweils auch entsprechend über die Auskunftsmedien so kommuniziert wurde. Dies konnte allerdings im Jahre 2023 kaum noch so beobachtet werden.
Auch Bereitschaftspersonal könnte eine Lösung sein, um Konflikte mit Schichtende oder ‑beginn aufgrund einer Umleitung und/oder Verspätung zu reduzieren oder dort einzugreifen, wo aufgrund der Störung gerade Personal fehlt. Dieses Personal müsste aber ggf. auch durch den Aufgabenträger explizit gefordert und dann auch bezahlt werden. Aufgrund der allgemeinen Personalknappheit müssten derartige Reservepersonale mit einer allgemeinen Aufstockung des Personals (s.o.) kombiniert werden.
Auch nahe der Stuttgarter Stammstrecke stehende und mit Personal besetzte Reservezüge können eine Möglichkeit sein, bei Störungen im Tunnel zumindest auf den Außenästen die Auswirkungen zu reduzieren. Auch das zweite Gleis in der Wendeanlage hinter der Station Schwabstraße käme als Standort für einen Reservezug in Betracht. Beispielsweise kann im Störungsfall ein in Zuffenhausen stehender Reservezug in Richtung Ludwigsburg oder Leonberg eingeschert werden, ein Zug im Bereich Untertürkheim gen Waiblingen. Reservezüge in Vaihingen können die Strecken gen Flughafen und Böblingen abdecken. Allerdings dürften dauerhaft mit Personal besetzte Reservezüge angesichts der derzeit angespannten Personal- und Fahrzeugsituation nur schwierig umzusetzen und auch nicht ganz preiswert sein.
Infrastruktur und Infrastrukturmängel
Immer wieder sorgen Störungen oder der Ausfall der Infrastruktur für größere Störungen im Stuttgarter S‑Bahn-Netz. Wie oben beschrieben wirken sich derartige Störungen meist im gesamten Netz aus.
Beispiele für größere Störungen:
- Gleisstörung auf den Ferngleisen (Messzug hat Gleislagefehler gefunden, die zur sofortigen Sperrung der Gleise geführt haben) -> Umleitung FV über S‑Bahn-Gleise (14.02.)
- Weichenstörungen am Hauptbahnhof und in Cannstatt gleichzeitig https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/weichenstoerung-s-bahn-stuttgart-ausfaelle-und-verspaetung-100.html
- Signalstörung (17.02.) mit Chaos im ganzen Netz; ausgedünnter Takt, verkürzte Linienführung / geteilte Linienführung: https://www.t‑online.de/region/stuttgart/id_100130812/massive-stoerungen-im-nahverkehr-rund-um-stuttgart-fielen-s-bahnen-aus.html
- Signalstörungen Schwabstraße: Anfang März kam es über verschiedene Tage verteilt teilweise mehrfach täglich zur selben „Signalstörung“ an der Schwabstraße. Betroffen war jedoch nicht nur das Ausfahrtsignal an der Schwabstraße in Richtung Universität, sondern die komplette dahinter stehende Streckenblockeinrichtung. Deshalb sorgten die Störungen jeweils für großes Chaos
- Streckensperrung zwischen Wendlingen und Kirchheim (Teck) wegen nicht auf die Schnelle zu behebendem Gleislagefehler an einem Bahnübergang
- Stellwerksstörung/Ausfall Stuttgart Hauptbahnhof: Am späten Abend des 26. Juni fiel das Stellwerk des Stuttgarter Hauptbahnhof in Teilen komplett aus, der Betrieb der S‑Bahn kam auf viele Strecken nahezu komplett zum Erliegen. Die Beseitigung der Störung erfolgte erst am späten Vormittag des 27. Juni, weshalb es zu erheblichen Beeinträchtigungen im morgendlichen Berufsverkehr kam
- Viele weitere kleine Weichen- und Signalstörungen und einige Ausfälle kleinerer Stellwerke, die es sich hier nicht mehr zum Aufzählen lohnt
- Immer wieder Einschränkungen im Bereich Marbach im Sommer 2023, da das dortige Stellwerk immer wieder Probleme machte und anstatt aus Ludwigsburg ferngesteuert teilweise vor Ort bedient wurde.
- Gleislagefehler auf der kleinen Murrbahn: Auf mehr als fünf Kilometern besteht seit dem Frühsommer 2023 aufgrund von Gleislagefehlern eine Langsamfahrstelle mit Begrenzung auf 40 Stundenkilometer (zwischenzeitlich auch immer wieder komplette Sperrungen), die auf der Linie S4 für Verspätungen sorgt.
Infrastrukturbedingte Störungen in Zahlen:
Im Netz der S‑Bahn Stuttgart kam es im ersten Quartal 2023 zu insgesamt 81 Weichenstörungen und 378 Störungen an der Leit- und Sicherungstechnik (hier sind Signalstörungen mitinbegriffen). Im ersten Quartal 2022 kam es mit 59 Weichenstörungen zu deutlich weniger Störungen, wohingegen in 2022 468 LST-Störungen zu verzeichnen waren.
Mit der Anzahl an Störungen bewegt sich die S‑Bahn Stuttgart im oberen Bereich im Vergleich zu anderen Deutschen S‑Bahn-Netzen.
Zustand der Infrastruktur – Wartung
Viele der infrastrukturbedingten Störungen sind auch auf veraltete oder verschlissene und schlecht gewartete Infrastruktur zurückzuführen.
Lösungsvorschlag:
Die oben genannten Beispiele für Störungen und die Folgen sind i.d.R. auf Probleme in der Infrastruktur bzw. auf mangelnde Möglichkeiten, auf Streckensperrungen zu reagieren, zurückzuführen.
Eine bessere prädiktive Wartung mit häufigeren Kontrollgängen und prädiktiven Instandhaltungsmaßnahmen, die sich ohne Betriebsunterbrechung oder in der Nachtpause realisieren lassen, sowie eine schnellere Reparatur durch Vorhaltung von Ersatzteilen und einer schnellen Eingreiftruppe, um nach Störungen diese möglichst kurz zu halten, sind erste Handlungsansätze, um die häufigen Signal- und Weichenstörungen in den Griff zu bekommen. Ggf. könnte hier zudem noch Sensorik helfen, früh vor Ausfällen zu warnen.
Ein Austausch von Signaltechnik wird im Vorgriff auf die erwartete ETCS-Umstellung nur bedingt möglich und sinnvoll sein. Ein prädiktiver 1:1‑Ersatz ist im Regelfall nicht sinnvoll, da nicht absehbar ist, welche Signale/Stellwerke/Kabel ausfallen werden und eine vorbeugende, komplette Neuausstattung (Kompletttausch Signale, Stellwerkstechnik, Kabel) erstens zu aufwändig ist und zweitens mit der alten Bestandstechnik nicht sinnvoll und technisch wahrscheinlich auch nicht machbar ist (keine Ersatzteile verfügbar).
Unzureichende Abstellkapazitäten
Derzeit gibt es im Netz der S‑Bahn nicht für alle Fahrzeuge Abstellmöglichkeiten.
Auswirkungen: Höherer Zeit- und Personalaufwand für die Einsatzplanung von Personal und Fahrzeugen sowie Leerfahrten von und zum Abstellort, die ebenfalls Strecken- und Personalkapazitäten fordern.
Lösung:
Die DB sollte das Problem offen kommunizieren und so schnell wie möglich die Abstellanlagen an den wachsenden Fuhrpark anpassen. Allerdings wird hierbei in den nächsten Jahren auch bereits Abhilfe in Form neuer Abstellmöglichkeiten geschaffen. Im Jahre 2024 sollen in Bietigheim-Bissingen, Kornwestheim und Esslingen neue zusätzliche Abstellgleise für die S‑Bahn in Betrieb gehen, die insgesamt 23 Abstellplätze für Kurzzüge ergeben. Ob die Abstellmöglichkeiten dann für die um die 58 neuen Triebwagen der Baureihe 430.2 gewachsene S‑Bahn-Flotte ausreichend sind, erscheint zumindest fraglich – gegebenenfalls müssen hier noch weitere Maßnahmen ergriffen werden. /
Betrieb auf den S‑Bahn-Außenästen im Störungsfall
Bei einer Störung auf der Stammstrecke gerät oft der Betrieb im gesamten S‑Bahn-Netz durcheinander. Auch auf den nicht direkt von der Störung betroffenen Außenästen des Netzes gerät der Fahrplan zur Makulatur. Oft wird zudem nur noch ein Halbstundentakt gefahren. Viele S‑Bahnen wenden dann bereits weit vor dem Stuttgarter Stadtgebiet, beispielsweise in Kornwestheim, Zuffenhausen, Waiblingen, Esslingen, Stuttgart-Vaihingen oder Bad Cannstatt. Auch im Hauptbahnhof (oben) wenden häufig S‑Bahnen, auch wenn diese wegen zu hoher Verspätung nicht mehr auf die Stammstrecke fahren können.
Der derzeitige Ausbauzustand der Infrastruktur lässt es nicht zu, im Störungsfall mit allen planmäßigen S‑Bahnen nahe an die Stuttgarter Innenstadt fahren zu können. Oft laufen die Bahnhöfe im Umkreis der Stammstrecke, in denen die signaltechnischen Voraussetzungen zum Wenden bestehen, schnell voll. Dadurch müssen oft S‑Bahnen schon weit vorzeitig wenden. Es entstehen dadurch auch auf den Außenästen Verspätungen und Ausfälle. Absehbar fällt zudem mit der S21-Inbetriebnahme die Möglichkeit für die S‑Bahn weg, zumindest im Hauptbahnhof (oben) wenden zu können.
Lösungsvorschlag:
Infrastrukturmaßnahmen müssen darauf ausgelegt sein, die Robustheit gegenüber Einschränkungen und Streckensperrungen zu erhöhen (d. h. den Betrieb trotz der Sperrung im übrigen Netz soweit wie möglich aufrecht zu erhalten) und die Möglichkeiten zur Organisation des Betriebs im Störungsfall zu verbessern (um weniger Züge ausfallen lassen zu müssen). Letzteres kann, auch in Anbetracht der durch S21 wegfallenden Option des Hauptbahnhofs durch zusätzliche Wendemöglichkeiten, beispielsweise durch zusätzliche Wendegleise oder die signaltechnische Ausstattung bestehender Gleise, geschehen, wodurch zum einen mehr Züge näher an die Störung und damit näher an das Stuttgarter Stadtzentrum heranfahren können und zum anderen die Vorortstationen nicht sofort durch dort im Störungsfall wendende und dadurch etwas länger stehende Züge „volllaufen“.
Da die Störungen v. a. in den Bereichen zwischen Hauptbahnhof und Bad Cannstatt/Zuffenhausen und im Bereich des S‑Bahn-Tunnels liegen, erscheint es naheliegend, insbesondere im dortigen Umfeld anzusetzen.
Als potentielle Orte für zusätzliche Wendegleise sind hierbei der Bereich Bad Cannstatt (S‑Bahnen aus Richtung Waiblingen/Plochingen), Nordbahnhof (S‑Bahnen aus Richtung Renningen/Ludwigsburg) und im Bereich Stuttgart-Vaihingen (S‑Bahnen aus Richtung Böblingen/Flughafen) geeignet. An allen diesen Stationen besteht zudem eine direkte Verknüpfung zur Stuttgarter Stadtbahn.
Im Bereich des Stuttgarter Hauptbahnhofs sind zusätzliche zentrumsnahe Wendegleise betrieblich sinnvoll. Es entsteht im Rahmen von Stuttgart 21 ein zusätzliches Wendegleis zwischen dem Hauptbahnhof und der neuen Station Mittnachtstraße, das nach meinen Informationen allerdings noch nicht zur Inbetriebnahme der neuen S‑Bahn-Strecke mit der Station Mittnachtstraße zur Verfügung steht und erst später kommt. Ausreichend dürfte dieses eine Gleis auch in Kombination mit dem zusätzlichen Gleis in Feuerbach jedoch nicht sein, wenn im Störungsfall im Fünfminutentakt S‑Bahnen auf den Hauptbahnhof zufahren, aber nicht weiter kommen. Vor diesem Hintergrund halte ich es für sinnvoll, die bereits immer wieder diskutierte Idee eines zusätzlichen Gleises an der Station Mittnachtstraße weiter zu verfolgen. An der Station Mittnachtstraße befindet sich südöstlich der in einem Trog entstehenden S‑Bahn-Station überwiegend freie Fläche. Auf diesem Platz kann ein zusätzliches Wendegleis, beispielsweise ebenfalls in einem Trog, entstehen. Eine Machbarkeitsstudie des Verbandes der Region Stuttgart bescheinigt diesem Gleis eine grundsätzliche Umsetzbarkeit.
Aus Richtung Renningen/Ludwigsburg können die S‑Bahnen zukünftig an einem schon existierenden und zukünftig auch mit einem neuen Bahnsteig für die S62 nutzbarem Gleis in Feuerbach wenden, wo zudem direkter Anschluss an die Stadtbahn besteht.
Am Nordbahnhof wäre beispielsweise neben dem bestehenden S‑Bahn-Bahnsteig auf dem Plenum des heutigen Ferngleises oder ehemaligen Güterbahnhofs Platz für zusätzliche Wendegleise, die dank mehrerer Stadtbahnlinien auch gut angebunden wären. Dadurch, dass auf diesen Flächen sich bereits heute Bahnbetriebsanlagen befinden, dürften diese Wendegleise verhältnismäßig leicht umzusetzen sein. Alternativ können zusätzliche Gleiskapazitäten für die S‑Bahn auch im Rahmen des Nordkreuz und der Gäubahn-Interimsstation mit umgesetzt werden, die ohnehin im Störungsfall auch durch die S‑Bahn mit genutzt werden könnte. In Kombination mit dem Nordkreuz und einer Gäubahn-Interimsstation kann im Bereich des Nordbahnhof ein weiterer Umsteigeknoten entstehen, der auch im Hinblick auf ein sekundäres S‑Bahn-Netz (s.u.) sinnvoll ist.
In Vaihingen entspannt der schon gebaute zusätzliche Bahnsteig die Situation. An diesem Bahnsteig kann auch die S‑Bahn verkehren. Aufgrund dieses Bahnsteigs ist nur noch auf der Seite gegenüber dem Bahnhofsgebäude Platz für zusätzliche Wende- und Bahnsteiggleise. Die momentan zur Verfügung stehenden 5 Bahnsteigkanten werden allerdings teilweise auch durch die zukünftig dort wendenden Gäubahn-Züge gebraucht, weshalb zusätzliche Gleiskapazitäten für die S‑Bahn im Störungsfall sinnvoll, aber wegen des wenigen zur Verfügung stehenden Platz wohl nur noch schwer umsetzbar wären. Sollte der Nordhalt der Gäubahn am Nordbahnhof tatsächlich kommen, würde dies die Situation in Vaihingen weiter entspannen, da dann mehr Gäubahn-Züge am Nordhalt wenden und somit in Vaihingen die Bahnsteige durch die dann nur durchfahrenden Gäubahn-Züge länger für die S‑Bahn zur Verfügung stehen würden.
Auch ein Wenden in der Station Universität und ggf. die damit verbundene signaltechnische Ausstattung, damit dort gewendet werden kann, ist sinnvoll, da auch dort leistungsfähige Verknüpfungen mit dem Busnetz bestehen.
Auch auf dem Gebiet des Bahnhofs Bad Cannstatt dürfte kaum Platz für zusätzliche Gleise sein. Hierbei ist die bestehende Station Neckarpark sowie die Station Untertürkheim zumindest eine Alternative für die S1, wo dann ebenfalls Verknüpfungen zur Stadtbahn bestehen. Für S‑Bahnen aus Richtung Waiblingen sind Wendemöglichkeiten ohne „im Weg“ zu sein notfalls auch auf bestehenden Gleisen in Bad Cannstatt allerdings unerlässlich.
Zukünftige Situation nach der S21-Inbetriebnahme
Insbesondere nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 dürften sich zusätzliche infrastrukturseitige Maßnahmen wie zusätzliche Wendemöglichkeiten dann positiv auf die S‑Bahn auswirken, um die wegfallende Möglichkeit der Wende im Hauptbahnhof oben auszugleichen.
Umfahrungsmöglichkeit der Stammstrecke
Sollte die Panoramabahn nicht mehr bis zum Hauptbahnhof zur Verfügung stehen, gibt es keine Möglichkeit mehr, im Zweifel an der S‑Bahn-Stammstrecke vorbei umzuleiten. Ich halte die bisherigen Pläne für einen schweren Fehler. Auch fällt die Möglichkeit weg, im Störungsfall die S‑Bahn in den Hauptbahnhof (oben) zu führen.
Zudem ist es keine Option, wie ursprünglich vorgesehen, die S‑Bahn im Störungsfall durch den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof durch den Fildertunnel zum Flughafen (PFA 1.2) zu führen, da die S‑Bahn-Fahrzeuge den Fildertunnel aus Brandschutzgründen nicht befahren dürfen.
Bis zur Inbetriebnahme der T‑Spange und einer Verbindung aus Cannstatt zur Panoramabahn im Zuge des Nordkreuz, was letztendlich eine direkte Umleitung von Bad Cannstatt über die Panoramabahn nach Vaihingen ermöglicht, besteht keine Möglichkeit, im Falle einer Störung den S‑Bahn-Tunnel zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen direkt zu umfahren. Nur Linien aus Feuerbach können über das existierende Gleisdreieck am Nordbahnhof direkt auf die Panoramabahn fahren.
Auch die Stuttgarter Stadtbahn sowie die Busse können die weggefallene S‑Bahn-Kapazität im Störfall nicht 1:1 ersetzen. Zusätzliche Wendegleise können zwar eine Schadensbegrenzung darstellen, indem mehr S‑Bahnen näher an das Stuttgarter Stadtzentrum heran fahren können und dort wenden, wo eine Verknüpfung zur Stadtbahn besteht. Einen durchgängigen S‑Bahn-Verkehr auf der Stammstrecke kann dies aber nicht ersetzen, zumal ein S‑Bahn-Verkehr über den neuen Tiefbahnhof eher unrealistisch erscheint. Hier entsteht erst mit dem Nordkreuz die Option, S‑Bahnen sinnvoll an der Stammstrecke vorbei leiten zu können. Dies würde der S‑Bahn nicht nur im Störungsfall zu Gute kommen, auch im Planbetrieb können tangentiale Linien am Stuttgarter Stadtzentrum vorbei geführt werden. Wenn bei dieser Gelegenheit in der Nähe zum Nordbahnhof eine stadtbahnnahe Haltemöglichkeit auf der Verbindung von Cannstatt zur Panoramabahn geschaffen wird, kann dies im Störungsfall für durchgängig umgeleitete Linien zumindest ein geeigneter Ersatz für die entfallenden Halte auf der Stammstrecke sein.
Andererseits bedeutet S21 für die heute im Störungsfall auch durch Fern- und Regionalverkehr befahrene Zulaufstrecken aus Cannstatt und Zuffenhausen eine Entlastung für die S‑Bahn, da dort zukünftig aufgrund der Verschwenkung der Ferngleise ausschließlich nur noch die S‑Bahn verkehren wird, die dann nicht mehr durch andere Züge beeinträchtigt werden kann.
Lösungsvorschlag:
Die Panoramabahn muss erhalten werden und zudem müssen das Nordkreuz sowie die T‑Sange umgesetzt werden. Von diesem Nordkreuz würde die S‑Bahn an sich bereits immens profitieren.
Sekundäres Netz in der Region Stuttgart
Das Netz der S‑Bahn Stuttgart ist stark auf den Hauptbahnhof Stuttgart ausgerichtet. Dies führt zu einer sehr starken Auslastung der Stammstrecke und der dortigen Stationen. Doch nicht alle Reisenden wollen in die Innenstadt. Die jetzige Struktur produziert Verspätungen und einem Teil der Reisenden werden unnötig lange Reisezeiten zugemutet.
Lösungsvorschlag:
Mit der Schuster- und der Panoramabahn (zukünftig in Verbindung mit der „Nordspange“/T‑Spange) stehen zwei Strecken zur Verfügung, mit der tangentiale Verbindungen möglich sind. Damit können die Relationen Esslingen/Untertürkheim – Kornwestheim sowie Bad Cannstatt – Nordkreuz – S‑Vaihingen mit planmäßigen S‑Bahn(ähnlichen)-Verkehr angeboten werden. Die Stammstrecke wäre etwas entlastet und einige Reisende gelängen schneller und umsteigefrei an ihr Ziel.
Es wird verwiesen auf die Studie des VWI im Auftrag der Grünen im Verband Region Stuttgart:
https://www.gruene-vrs.de/fileadmin/rfs/dateien/Studie_Zukunft_der_S-Bahn_Stuttgart_Juli_2023.pdf
Fazit
Der Blick auf die Entwicklung der Pünktlichkeit und die Störungen bei Infrastruktur und Fahrzeugen macht deutlich, dass über viele Jahre zu wenig in einen stabilen Betrieb investiert wurde. Die Takte wurden verdichtet und die Linien verlängert, ohne ausreichend Kapazitäten und Resilienzen geschaffen zu haben. Um die Stabilität im Betrieb der S‑Bahn Stuttgart zu verbessern und den Fahrgästen eine akzeptable Verlässlichkeit der Verbindungen bieten zu können, sind die Bemühungen in den Bereichen Infrastruktur, Fahrzeuge und Organisation des Bahnverkehrs deutlich zu intensivieren. Mit diesem Beitrag werden dazu Ideen geliefert. Diese sind nicht alle neu. Sie sollten von den Verantwortlichen, vor allem dem Verband Region Stuttgart und der Deutschen Bahn, ernsthafter als bisher geprüft und – mit weiteren Maßnahmen – entschlossener in Angriff genommen werden.
Hinweis: Dieser Text wurde bereits am 07.09.2023 von meinem wissenschaftlichen Team und mir fertiggestellt und mit einer Kurzversion an die Presse verschickt. Leider hat keine Zeitung unsere Analyse und unsere Vorschläge aufgegriffen.