„Die Zukunft basiert auf dem, was wir heute tun.“ - Mahatma Gandhi
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Traub,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Beck,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Theobaldt,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das hatten wir uns alle anders vorgestellt. Nachdem die letzten Haushaltsberatungen noch im Zeichen der Corona-Pandemie standen, wäre jetzt der Zeitpunkt zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken. Stattdessen stehen wir vor dem nächsten Unheil. Kriege in Europa, im Nahen Osten und in Afrika erschüttern uns angesichts des Grauens und des unfassbaren Leids. Wie immer trifft es zumeist die Allerschwächsten am härtesten. In einer Welt, die durch die Globalisierung auf vielfältige Weise vernetzt ist, zeigen sich die Auswirkungen dieser Konflikte ganz konkret auch in Filderstadt, beispielsweise im Bereich unserer Energieversorgung. Gleichzeitig sind wir aber weiterhin gefordert unseren „Laden“ am Laufen zu halten, uns den hiesigen An- und Herausforderungen zu stellen, auch wenn einiges davon, angesichts der aktuellen politischen Weltlage, vergleichsweise banal erscheinen mag.
Eines aber gehört auch zur ganzen Wahrheit: Eine Friedenszeit hat sich die Welt noch nie gegönnt. Allein im Jahre 2022 belief sich die Zahl der Gesamtheit der Kriege, Bürgerkriege und zwischenstaatlicher Konflikte nach Angaben der globalen Datenbank Statista auf 55. (Quelle: Statista research, de.statista.com, 23.08.2023). Ausdruck dessen, ist die große Anzahl von Geflüchteten, die in ihrer Not, oft unter lebensbedrohlichen Umständen, bei uns Zuflucht suchen und auf die Humanität unserer Gesellschaft vertrauen. Gemeinderat und Verwaltung sowie die Menschen in Filderstadt haben sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell bewiesen, dass sie sich dieser Verantwortung gemeinsam stellen. Das schätzen wir wert.
In ihrer Rede zur Haushaltseinbringung haben Oberbürgermeister und Kämmerer eine Einordnung Filderstadts in die politische Gemengelage bereits beleuchtet und bewertet. Welchen Einfluss bzw. welche Auswirkungen die jüngsten bundespolitischen Entwicklungen ggf. haben könnten, ist abzuwarten.
Angesichts dieser besonderen Herausforderungen begrüßen wir sehr, dass es uns als Gremium gelungen ist, einmütig ein Paket von zukunftsweisenden Maßnahmen zu schnüren - erstmals unter Berücksichtigung auch des personell von der Verwaltung Leistbaren. Vor diesem Hintergrund sind die Haushaltsanträge unserer Fraktion nicht finanzträchtig, sie sind eher als „Beiwerk“ der beschlossenen Vorhaben zu verstehen. Zumal diese alle Bereiche abdecken, die ihr stets wichtig waren. Der Wermutstropfen dabei: Trotz guten Wirtschaftens und unerwartet hoher Steuereinnahmen, sind durch die in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen allein, die Projekte nicht realisierbar. Der Haushaltsplanentwurf sieht deshalb eine Kreditaufnahme von insgesamt 50 Mio. Euro für die Jahre 2024 und 2025 vor.
Unsere Fraktion war unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit immer eine Verfechterin der 2007 erzielten Schuldenfreiheit des städtischen Kernhaushaltes. In Anbetracht eines veränderten, krisenbehafteten Zeitgeschehens erkennt sie jedoch, dass ohne Investitionen, u.a. in den Klima- und Umweltschutz, die Zukunft der nachfolgenden Generationen stark gefährdet ist. Denn eines steht fest: Wenn wir notwendige Investitionen heute nicht tätigen, werden Schulden nur in die Zukunft verschoben. Denn je später die Probleme angegangen werden, desto drastischer und teurer werden die notwendigen Maßnahmen ausfallen.
Die diesjährige Haushaltsrede unserer Fraktion legt den Fokus auf die Themen, die fraktionsübergreifend als Daueraufgaben identifiziert wurden und als solche in die künftigen Haushaltsjahre einfließen.
Umsetzung „Klimaresolution“
Man könnte fast meinen, es gäbe sie nicht mehr. Die Klimakrise gerät angesichts neu hinzukommender Herausforderungen oftmals in den Hintergrund. Und das, obwohl seit April 2021 durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Klimaschutz und damit das Recht auf Zukunft der nachfolgenden Generationen, grundrechtlich verbrieft ist. Wurde dies damals noch als „bahnbrechend“ gefeiert, macht sich mittlerweile Ernüchterung breit. Denn nach wie vor sind Klimaschutzmaßnahmen kompromissbehaftet und unambitioniert - auf allen politischen Ebenen. Nicht genutzt wurde das Klimaschutzziel, um klimaschädliche Projekte zu verhindern, die politisch beschlossen wurden. So hat das Bundesverfassungsgericht selbst mehrere Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, in denen mehr Klimaschutz eingefordert wurde (z.B. für die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen, gegen den „Tankrabatt“). Es verwundert daher nicht, dass der von der Bundesregierung berufene Expertenrat für Klimafragen wiederholt darauf verweist, dass die bisherigen Emissions-Reduktionsraten bei Weitem nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen.
Zeigen wir, dass wir das besser können. Mit großer Mehrheit hat der Filderstädter Gemeinderat eine Klimaresolution verabschiedet und sich damit seiner Verantwortung gestellt. Erstmals werden aus Absichtserklärungen, Verpflichtungen gegenüber den zukünftigen Generationen. Dieser Beschluss bildet die Grundlage dafür, beherzt für die Sicherung der Generationengerechtigkeit zu handeln. Sobald die Stabstelle des Klimaneutralitätsmanagements besetzt ist, müssen deshalb zügig konkrete Maßnahmen erarbeitet und konsequent umgesetzt werden. Kann die Stadt Filderstadt allein das Klima retten? Nein, sie muss aber ihren Beitrag leisten. Beim Klimaschutz nehmen Städte und Gemeinden eine Schlüsselrolle ein. Klimaschutz findet vor Ort statt, denn hier werden die Auswirkungen des Klimawandels (Starkregenereignisse, Dürreperioden) sichtbar und hier müssen sie auch bezwungen werden. Und: Es sind Millionen von Einzelentscheidungen, die jede für sich gesehen einen kleinen Beitrag leisten, in der Summe aber letztlich zum Erfolg führen. Daran wollen wir uns beteiligen. Wichtig ist uns in diesem Zusammenhang:
- Die Kommune wird ihrer Vorbildfunktion gerecht.
- Die Bürger*innen müssen nicht nur mitgenommen, sondern auch eingebunden werden.
Wir beantragen daher eine Auftaktveranstaltung „Gemeinsam für den Klimaschutz“ (Arbeitstitel), in der die Ziele und Strategien der Stadt dargestellt und Beteiligungsformate eruiert werden.
Die im Haushaltsplan jährlich veranschlagten 4 Mio.€ für die Umsetzung der Klimaresolution sind ein wichtiges Signal. Es darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil dieser Summe auch gesetzliche Vorgaben umfasst. Bereits jetzt ist absehbar, dass hier noch zusätzliche Finanzmittel erforderlich sind. Wir verlassen uns auf die Zusage der Verwaltung, bei Bedarf finanziell entsprechend nachzusteuern.
Umsetzung „Mobilitätsentwicklungsplan Filderstadt 2030“
Rund 20 % der direkten CO₂-Emissionen in Deutschland werden vom Verkehr erzeugt, davon ca. 95 % im Straßenverkehr. Der Verkehrssektor verfehlt jährlich die im Gesetz vorgegebenen Reduktionsziele. Und auch der Expertenrat für Klimafragen hat in seinem Prüfbericht vom August 2022 die beschlossenen Maßnahmen als unzureichend eingestuft. Dass jetzt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, die Bundesregierung dazu verurteilt hat, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr aufzulegen, kam deshalb nicht überraschend. Geklagt hatten die Umweltverbände BUND und Deutsche Umwelthilfe.
Auch die Verkehrswende muss vor Ort angegangen werden. Denn auch unsere Einwohner*innen haben tagtäglich unter der jahrzehntelangen falschen Prioritätensetzung zugunsten des motorisierten Individualverkehrs zu leiden. Insbesondere der innerstädtische Verkehr wird dabei als Belastung für Sicherheit und Gesundheit empfunden. Mobilität ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Eine nachhaltige Mobilität zeichnet sich dadurch aus, dass sie klimafreundlich, sicher, barrierearm und sozial gerecht gestaltet ist. Der Umstieg auf nachhaltige alternative Kraftstoffe allein, bringt keine Verkehrswende. Vielmehr wird es um die Verkehrsvermeidung und die Verlagerung von Verkehr auf umweltschonendere Verkehrsmittel ankommen. Der Rad- und Fußverkehr muss sicherer und attraktiver werden, der ÖPNV schneller, zuverlässiger und bezahlbarer.
Wir erachten zudem für wichtig, dass künftig Stadt- und Verkehrsplanung stärker Hand in Hand gehen. Attraktive Innenstädte schaffen Aufenthaltsqualität, die Stadt der kurzen Wege steigert die Lebensqualität. Eine autoarme Innenstand mit gut vernetzter Mobilität kann sich zudem - Auswertungen zufolge - auch positiv und stärkend auf den Einzelhandel auswirken.
Der Gemeinderat hat die Herausforderungen erkannt. Als erste Stufe wurde das „Mobilitätsprogramm“ und damit die Reduzierung des Anteils der PKW-Wege auf 42 % als ein Oberziel beschlossen. Dienen soll das Programm vor allem als Grundlage für die Erarbeitung von konkreten Maßnahmen, die dann als „Mobilitätsentwicklungsplan 2030“ beschlossen und umgesetzt werden. So weit, so gut.
Der Haken ist nur, dass wir seit dem Beschluss des Mobilitätsprogramms im Juli 2022 auf den Maßnahmenplan Mobilität warten. Und das, obwohl die Maßnahmenerarbeitung der einberufenen Arbeitsgruppe (Büro- Verwaltung- Fraktionsvertretungen) seit 2021 abgeschlossen ist. Worauf diese Verzögerung basiert ist uns nicht bekannt. Was wir aber mit Sicherheit sagen können ist, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Zudem geraten wir als Gemeinderatsmitglieder in eine missliche Lage. Den Bürger*innen gegenüber argumentieren wir mit dem MEP und der ganzheitlichen Betrachtung des Themas. Die Menschen aber wollen Klarheit. Sie wollen zu Recht wissen, was sich dahinter verbirgt und was, wann und wie geplant ist. Dem muss unverzüglich nachgekommen werden, wenn Verwaltung und Gemeinderat nicht ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen wollen. Deshalb muss der Maßnahmenkatalog alsbald vorgelegt und beschlossen werden. Zeitnah ist daraufhin die vorgesehene Bürger*inneninformationsveranstaltung durchzuführen.
Umsetzung „Handlungsprogramm Wohnen“
Wohnen ist ein soziales Grundrecht und Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Aber auch in Filderstadt mangelt es an Wohnraum- vor allem an preiswertem. Stattdessen steigende Mieten, Immobilien- und Grundstückspreise. Dass der Markt alles regeln könnte, hat sich als Illusion erwiesen. Verstärkt sind Kommunen gefordert in das Wohnen zu moderaten Preisen und in sozial geförderten Wohnraum zu investieren. Dass dazu der Bestand von Wohnraum und Boden in städtischer Hand nicht nur erhalten, sondern auch erhöht werden muss, ist in unseren Augen unabdingbar. Bei Bauvorhaben von Investor*innen auf städtischen Grundstücken, ist daher dem Modell „Erbbaurecht“ einem Baulandverkauf Vorrang einzuräumen - auch das ist Zukunftssicherung.
Mit dem „Handlungskonzept Wohnen Teil B“ wurde die wohnungs- und bodenpolitische Strategie für Filderstadt beschlossen. Die Schaffung von preiswertem Wohnraum kommt allerdings nur schleppend voran. Vor allem in Hinblick auf eine schnellere sowie effektivere Umsetzung sind die Instrumente, die das Handlungskonzept vorsieht, wie z.B. die Gründung einer kommunalen Wohnbaugesellschaft, in Erwägung zu ziehen.
Bei der Schaffung von Wohnraum liegt der Fokus unserer Fraktion auf eine verträgliche innerstädtische Nachverdichtung. Wertvolle (Acker-) Flächen müssen verschont bleiben, um Umwelt und Klima nicht zusätzlich zu belasten. Hier setzen wir auf die dreifache Innentwicklung, die Bauen, Mobilität, und Grün zusammendenkt.
So wie dem Verkehrssektor, bescheinigt der Expertenrat für Klimafragen, auch dem Gebäudesektor, seit Jahren seine Umwelt- und Klimaziele zu verfehlen. Auch für diesen Bereich hat das Oberverwaltungsgericht daher ein Sofortprogramm gefordert. Gebaut wird für Jahrzehnte. Angesichts des enormen Ressourcenbedarfs im Bauwesen müssen daher Wohnraumschaffung, Ressourcenschonung und Klimaanpassung zusammengedacht werden.
Aus diesem Grund hat unsere Fraktion in den vergangenen Haushaltsjahren immer wieder die Erarbeitung von Kriterien für „Nachhaltiges Bauen“ gefordert. Der erste Aufschlag ist mit einer Informationsveranstaltung erfolgt - die Festlegung von Kriterien lässt auf sich warten. Gerade im Hinblick auf die Klimaresolution und der vom Oberbürgermeister ausgerufenen Klimaneutralität bis 2032 muss dies umgehend angegangen werden.
Eine nachhaltige Wohnraumentwicklung misst sich aber nicht allein an der Anzahl der Wohnungen, sondern auch an der Qualität des Wohnraums und des Lebensumfelds. Das Gebot der Stunde sind klimaresiliente Städte mit blau- grüner Infrastruktur aus Wasser und Stadtgrün zur Erholung von Natur und Mensch. Um gerüstet zu sein für die sich veränderten Lebensbedingungen, fordern wir die Erstellung einer Klimaanpassungsstrategie, sowie eines Hitzeaktionsplans zum Schutz unserer Bevölkerung.
Fazit
Wie bereits erwähnt, sieht unsere Fraktion von der Beantragung weiterer Maßnahmen mit investivem Charakter ab. Im Gegenzug erwarten wir aber, dass das, was gemeinsam beschlossen wurde, entsprechend konsequent und fachlich umgesetzt wird. Konkret bedeutet dies für uns: Wir müssen in vielen Bereichen schneller und entschlossener „ins Machen“ kommen. Instrumente dafür haben wir uns gegeben. An Konzeptionen und Plänen mangelt es ofenkundig nicht. Es ist die Umsetzung, an der wir oft oftmals scheitern. Das schafft Unmut bei uns als Gremium, das schafft aber auch Unmut bei den Einwohner*innen, insbesondere bei denen, die in Prozesse eingebunden waren. Natürlich verkennen wir nicht die herausfordernde Lage der Verwaltung. Weder die Personalentwicklung noch die erforderlichen Finanzmittel können momentan mit dem Zuwachs an Aufgabengebieten mithalten. Deshalb bedarf es zum einen einer Ausgaben- und Einnahmenkritik, zum anderen ist in Betracht zu ziehen, den, auch demografisch bedingten, Personalmangel künftig verstärkt durch den Einsatz von externen Dienstleistenden aufzufangen. Denn viele weitere zukunftswirksame Ausgaben und Aufgaben stehen uns noch bevor. Insbesondere im Bereich der Bildung und Betreuung muss nach Beschluss der „Gesamtkonzeption Kinderbetreuung“ deren Umsetzung erfolgen. Hier wird es insbesondere um die weitere Personalgewinnung und die damit einhergehende verlässliche Betreuung gehen müssen - zur Sicherung der Existenzgrundlage von Familien. Auch der neue und berechtigte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich wird uns fordern.
Die Fraktion DIE GRÜNEN stellt sich den Herausforderungen der Zeit. Verantwortungsvoll und konstruktiv kritisch wird sie auch in Zukunft ihren kommunalpolitischen Auftrag, zum Wohle der Stadt und ihrer Einwohner*innen nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen. Gelegen ist uns dabei an einem guten Miteinander. Deshalb bedanken wir uns bei allen Mitarbeitenden der Stadtverwaltung für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit- aus aktuellem Anlass zuvörderst bei der Stadtkämmerei für die wie immer spannende Lektüre. Bedanken möchten wir uns auch bei den Kolleg*innen aller Fraktionen für das gemeinsame und produktive Gestalten. Unser Dank geht aber in besonderem Maße an alle, die sich in unserer Stadt bürgerschaftlich engagieren, ob in Vereinen oder eigenständig. Dieser Beitrag zum Gemeinwesen hält die Stadt lebendig und stärkt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Wir wünschen uns allen gute Beratungen im neuen Jahr, zunächst aber geruhsame und erholsame Weihnachtsfeiertage.
Foto: AlexanderStein / Pixabay